Langeweile

Es gibt mitunter Dinge, die hat man wohl nur in der Stadt. Da wäre die Kneipe um die Ecke, der Supermarkt in fußläufiger Nähe oder den Spezialladen, den man mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann. Und es gibt Langeweile.

Langeweile scheint ein Phänomen der Stadt zu sein. Hier im Dorf muss man sich die Zeit aus den Rippen schneiden, um sich in schicke Klamotten zu werfen und mal auszugehen. Die nett gemeinte Anfrage der Freunde aus der Stadt, wann man denn mal wieder vorbei kommen möchte, beantwortet man häufig mit: „Ich habe noch so viel zu tun.“. Und ein Konzertbesuch muss akribisch geplant werden, weil der Tag nur 24 Stunden hat.

Bei meinen Besuchen von städtischen Bewohnern habe ich das Gefühl, dass sie häufig die Langeweile plagt, weil sie ständig auf der Suche nach passenden Freizeitaktivitäten sind. Veranstaltungen werden durchforstet und Events geprüft und Zeit für das Lieblingskaffee bleibt auch noch. Gerade habe ich eine Dokumentation im öffentlich-rechtlichen Fernsehen geguckt und mich gefragt, wer Zeit für diese ganzen Freizeitaktivitäten hat, die dort vorgestellt worden sind.

Ich versuche zwischen Rasenmähen, Unkraut jäten, Fassade reinigen, Pferde versorgen, Vögel aus Wassertonnen fischen, Rinnsteine reinigen, Obst ernten und verarbeiten, nachbarlichen Kontakten und den Fahrten in die Stadt zum Einkaufen noch Zeit zu finden, um eine halbe Stunde auf einer Decke im Garten liegen zu können. Es ist nie alles fertig. Und wenn etwas fertig ist, dann habe ich noch hundert Ideen, die ich hier umsetzen könnte. Und wenn ich hypothetisch damit fertig wäre, dann gibt es noch haufenweise ehrenamtliche Möglichkeiten, die den Menschen, der Natur, den Tieren und mir helfen, oder einfach nur der Stammtisch unserer Kneipe. Am Ende bleiben ja noch meine Freunde aus der Stadt, die Langeweile haben.

Für alle da draußen, die nicht wissen, was sie Sinnvolles tun können – kommt man vorbei zum Helfen. Ich hätte für jeden, der bereit ist sich körperlich zu betätigen, was passendes. Bei mir kann man auch „Anpacken“, so wie im Fernsehen (mal wieder öffentlich-rechtliches), nur ohne Fernsehen.

Podcast

„So – jetzt hast du ein neues Hobby“ – Cindys Worte heute zu mir. Ich war irgendwas zwischen sprachlos, entsetzt, verwirrt und in Panik. Noch ein neues Hobby? Gerade jetzt? Ich habe doch erst wieder Zeit, wenn ich in Rente bin. Vermutlich haben alle Rentner keine Zeit, weil sie alle Hobbys auf das Rentenalter verschoben haben. Ich habe dagegen JETZT ein neues Hobby. Und das ist wohl der Podcast.

Was ist ein Podcast? Irgendwie sowas wie Radio ohne Musik oder Video ohne Bild oder Hörspiel ohne Spiel. Eine meiner Influencerinnen nannte ihren Podcast „Sprachmemo“. Das ist wie der Anrufbeantworter. Man redet in ein Mikrofon, erhält keine Antwort und irgendwann hört sich das jemand an. Früher hörte man es ab. Vermutlich ist das der Unterschied. Podcasts gibt es für jeden Geschmack. Man findet sie im Internet. Und man kann eine App zum Abspielen der Podcasts auf sein Smartphone laden. Sehr häufig ist dort auch so eine App vorinstalliert. Und dann braucht man nur noch zuhören.

So ganz neu ist das Podcast-Hobby nicht. Ich bin fleißiger Nutzer von dem Content, den andere für das Gehör produzieren. Und ich höre Laber-Podcasts, Informations-Podcasts oder Komedie. Und dann kam Cindy und fragte: Machen wir einen Podcast? Ja klar – einen Laber-Podcast können wir auch. Also ich allein kann das nicht. Cindy ist da ganz professionell ran gegangen. Ein Intro musste zusammengestellt werden, ein YouTube Kanal musste erstellt werden (https://www.youtube.com/channel/UCR2uLeaffnJR1J-vaEpFGgw), ganz zu schweigen von einer professionellen Ausrüstung. Davon habe ich keine Ahnung. Ich hätte wohl einfach eine Sprachmemo aufs Smartphone gesprochen und hochgeladen. Ich ahne, wer hier gleich das Grausen bekommt. Aber ich habe das nie angefangen, da ich nicht noch ein Hobby wollte. Jetzt ist es doch da.

Ich hatte eine vage Ahnung, dass es lustig sein könnte. Und wir haben bei der ersten Aufnahme auch ziemlich gelacht. Und wir hatten richtig Spaß miteinander. Doch dann kam die Premiere. Cindy hatte den Schnitt übernommen und zum ersten Mal tönte der Podcast Mondscheintomate durch meine Lautsprecher. Ich musste mehrmals die Pause-Taste drücken, weil ich vor Lachen vom Stuhl gerutscht bin. Cindy war etwas ratlos. „Können wir das so hochladen?“, fragte sie. Auf jeden Fall!

Keine Werbung

Nachdem Cindy ja wunderbar einen Text zum Jubiläum von Mondscheintomate erstellt hat, lehne ich mich da mal faul zurück und überlasse ihr die Lorbeeren. Oder hat das schon was mit Werbung zu tun? Es ist ja eigentlich nur Werbung für die Mondscheintomate, denke ich. Oder mache ich Werbung für das Dorfleben? Ich hoffe nicht!

Das mit dem Dorf ist wie mit der unberührten Natur oder dem Geheimtipp. Wenn es jeder weiß und jeder dahin will, dann ist es nicht mehr das Gleiche und schon gar nicht mehr was Besonderes. Die Dinge leben davon, dass nur wenige Menschen es zu schätzen wissen. Eine meiner Influencerinnen (auch Content Creator genannt) sagte mal in einem anderen Zusammenhang: Nur angucken, nicht anfassen und einfach weitergehen. Das passt auch für’s Dorf. Sicher braucht es auch immer mal wieder Zuzug, aber der findet sich auch ohne Werbung. Die Gemeinden hören das nicht so gerne. Sie erhalten mehr Geld, je mehr Menschen im Ort wohnen. Das soll ja dann angeblich gut für die Dorfbewohner sein. Aber es muss im Rahmen bleiben.

Wie viele Orte, haben auch wir ein Neubaugebiet. Dort stehen jetzt 5 Häuser. Ich glaube es sind 27 Bauplätze vorgesehen. Das Gebiet wurde vor 30 Jahren eingerichtet. Jetzt sind auf einen Schlag 5 Bauplätze verkauft worden. Das bedeutet, dass sich die Anzahl der Dorfbewohner von ca. 455 auf knapp 500 erhöhen wird. Wenn alle Bauplätze vergeben sind und kein Haus in ein Ferienhaus ohne feste Bewohner umgewandelt wird, dann erreichen wir womöglich die 600 Menschen. Ich hoffe dann ist auch Schluss. Immmerhin möchte ich doch jeden noch kennen und Zeit haben jeden kennenzulernen.