Wieviel Foto braucht man?

Das digitale Erbe

Mal eben das Handy nehmen und ein Bild machen. Ich drücke auch gerne mehrmals den Nachkommen des Auslösers und die Bilder prasseln nur so in meinen digitalen Speicher, der spottbillig ist. Mein aktuelles Smartphone macht aus einem Bild einen Miniaturfilm, damit man sich das beste Motiv heraussuchen kann. Mit einem Klick mal eben 20 Aufnahmen, die fast egal aussehen.

Meine Cloud ist aus Geiz begrenzt und der Speicherplatz meines Smartphones auch. Somit lade ich regelmäßig die Bilder auf die externe Festplatte, die mit einem kostengünstigeren Cloudangebot verbunden ist, damit ja keines der 3000 Bilder jeden Monat verloren geht. Und es herrscht Ordnung in meinen Bildern. Seit 2006 fotografiere ich digital. Für jedes Jahr gibt es einen Ordner mit Unterordnern. Ein bisschen habe ich umgemodelt, denn anfangs war Speicherplatz sehr viel teurer und es waren keine 1000 Fotos im Monat. Da habe ich noch nach Ereignissen sortiert. Jetzt ist nach Jahr und Monat sortiert. Und weil der Datenwust so groß ist, mitunter noch nach weiteren Unterordnern. Ich liebe Fotos und durchsuche auch die alten Ordner regelmäßig, ärgere mich über Unordnung oder falsche oder fehlende Metadaten in den alten Bildern. Tatsächlich gucke ich meine analogen Fotos seltener an.

Das hindert mich nicht, Fotobücher zu erstellen, die niemand anguckt. Meine Versuche Urlaub in ein spannendes Fotoalbum zu quetschen, war bisher nicht von Erfolg gekrönt. Was in meinem digitalen Ordner wie eine gute Idee aussieht, liegt wie Blei im Regal. Und dann sind da noch die alten Fotoalben von früher. Hunderte von eingeklebten Bildern mit Untertiteln und Datum – jedenfalls bei mir. Ich habe die Alben auch mal eingescannt. Aber das sind Scans von ganzen Seiten. Die einzelnen Bilder müssten da händisch raus geholt werden. Eine Arbeit, zu der ich so gar keine Lust habe. Vielleicht ist es mir das ja irgendwann mal wert, es machen zu lassen. Denn dazu kommen die geerbten Fotoalben der Verwandtschaft. Was macht man mit einem Album, in dem Menschen zu sehen sind, von denen man nur einen kennt? Interessant sind die Fotos aus den 60iger und 70iger Jahren schon. Da sieht man die alten Autos, Straßen, die Kleidung und den Gasthof früher einmal. Interessiert das heute noch jemanden?

Was wird also aus meinem digitalen Erbe? Eine Bekannte von mir, hat gerade alles gelöscht und weg geworfen. Bei dem Gedanken steigt Panik in mir auf. Was wenn jemand gerade mein Bild für die Chronik vom Dorf braucht? Und ist es nicht so, dass jemand erst ganz gestorben ist, wenn sich niemand mehr an ihn erinnert? Will ich vergessen werden? Auf der anderen Seite frage ich mich, was man mit unzähligen Fotos von meinen Ponys will. Ein schönes Bild von der Seite und eine vernünftige Abstammung dazu, wäre ja vollkommen ausreichend.

Ich werde dennoch nachher wieder den Auslöser drücken und noch ein Bild vom Hintern meines Pferdes machen. Ich werde mich freuen es zu archivieren, die Metadaten anzupassen und es irgendwann hervorkramen und ein Fotobuch daraus erstellen, dass niemand durchblättern. Warum auch nicht?!?

Die Sache mit der Hyäne

Überall ist besonders in Corona-Zeiten die Rede von ihr – der Hyäne.

Ein schönes Tier!

Nur, wo ist es, wenn man es mal braucht? In chronologischer Reihenfolge folgen nun also meine eindrücklichsten Erlebnisse, im Grunde ein „best of ein Jahr Pandemie“:

  • Zwei Leute treffen sich im Supermarkt. Fallen sich in die Arme. „Inge, lass dich mal drücken, wir haben uns ja ewig nicht gesehen!“ – „Ja, und wir haben ja jetzt unsere schicken Masken auf, da kann ja nix mehr passieren!“ Höhö, hihi. Ja, alles klar.
  • Eine öffentliche Toilette. Ich sitz auf’m Pott und mache, was frau da eben so macht. Neben mir noch jemand. Ihr Unterfangen hört sich deutlich mühseliger an, als das meinige, das tut hier aber eigentlich nichts zur Sache, ich erwähne es nur aus dramaturgischen Beweggründen. Nun ist sie offensichtlich fertig mit dem Auftrag, den sie da hatte, Spülung, Hose, Kabinentür, Zwischentür, Tür zum Flur. Alles in wenigen Sekunden… was habe ich nicht gehört? Das Wasser laufen, oder auch nur die Betätigung des Desinfektionsmittelspenders. Ich hab die Türen übrigens anschließend mit’m Papiertuch angefasst, und das nicht hauptsächlich wegen Corona… Sau!
  • Wieder im Supermarkt. „Sören! Nein, wir haben Brot zu Hause! Sören, hol die da nicht alle raus! Sören, dein Fernseh fällt heute aus, wenn du das nicht lassen tust! Söööööreeeen!!“ Ich komme um die Ecke, um’n Blumenkohl mitzunehmen und sehe Sören auf dem Boden sitzen und mit den Brötchen spielen. Mutti ist aber schon dabei, diese durch das Gitter zurück in die Selbstbedienungs-Auslage zu fummeln… scheint ganz schön schwierig und so nicht gedacht zu sein. Kann aber gar nix passieren – Mutti hat ja Einweg-Handschuhe an. Auf meine Frage hin, ob sie meint, dass das so richtig ist, fragt sie mich, was sie denn machen soll. Auf meine Frage an eine Mitarbeiterin des Geschäfts fragt diese mich, was sie denn machen soll.
  • Eine Schule. Im Gebäude haben alle ganz vorbildlich Masken im Gesicht – die setzen sie auf, wenn sie aus dem Klassenzimmer kommen. Draußen setzen sie sie ab – im Gedränge. Als die Schülertraube sich in den Bus drängt, setzen alle die Dinger an der Tür wieder auf. Mir wird klar, dass ich wohl noch viel darüber lernen muss, wie Viren funktionieren.
  • Nochmal Supermarkt. Ich bezahle in bar – ist anders empfohlen, war halt aber gerade so. Wenigstens waren meine 2,99 genau abgezählt. Ich will sie der Kassiererin hinlegen, diese deutet auf ein Plastikkörbchen neben der Geldablage, die bis vor ein paar Wochen ganz hervorragend für diesen Zweck funktionierte… aber ich kann mich ja anpassen. Das Geld also ins Plastikkörbchen und ich bin gespannt, was nun passiert. Die Kassiererin fummelt das Geld mit ihren langen Plastikfingernägeln aus dem Körbchen. Das war der ganze Zauber? Warum geht das besser, als mit der Geldablage? Ich hatte definitiv mehr von dieser Innovation erwartet und bin ein bisschen enttäuscht.
  • Ein Desinfektionsmittelspender im, sagen wir, öffentlichen Raum. Is so’n Deckel drauf, den macht aber keiner zu. Der Spender an sich ist auch nur so’ne Flasche, die dann jeder anfassen und ein bisschen zusammendrücken muss. Ich habe mehrere Fragen – erstens: Was glauben Menschen, was da für’ne Flüssigkeit drin ist? Alkohol verdunstet ja relativ gut, also was genau erwartet Ihr an Tag X noch von der offenen Flasche? Zweitens: Hat sich irgendwer mal Gedanken darum gemacht, dass es vielleicht nicht so geil ist, wenn jeder die Flasche angrabbelt? Erstrecht nicht, wenn sich drittens offensichtlich kaum jemand je damit beschäftigt hat, wie eine halbwegs ordentliche Händedesinfektion so vonstatten geht? Von „mit Desinfektionsmittel einreiben und abwaschen“ bis hin zu „mit Papiertuch wieder abwischen“ habe ich in der letzten Zeit echt einiges gesehen!

Das alles ist übrigens genau so passiert (wenngleich die Geschichten hier und da natürlich noch weitergegangen sind) und es war nur ein Auszug aus all den Absurditäten, die mir in den letzten Monaten so untergekommen sind.

Was machen solche Leute eigentlich in anderen Dingen, die irgendwie wichtig sind? Halten die auch’n angezündeten Böller fest, bis er explodiert oder backen bei der Fertigpizza die Folie mit, weil sie sich nicht informiert haben? Und wie ist die Lernkurve solcher Leute innerhalb eines Jahres mit anderen Dingen so? Manchmal macht mir das ein wenig Sorgen, obwohl sich das früher oder später oft irgendwie ausmendelt… bleibt halt immer zu hoffen, dass da nach Möglichkeit keine Unschuldigen mit reingezogen werden, was bei so’ner Pandemie-Sache aber leider eher passiert, als bei der Pizza, also ist das keine Lösung.

Nun frage ich mich – wie ist das nun mit der Hyäne, von der alle sprechen? Gibt’s die echt nur noch im Zoo, oder wäre es nicht möglich, sich doch ab und zu die muchtigen Flossen zu waschen und mir bitte, bitte nicht an der Kasse in den Nacken zu atmen – egal ob mit Maske oder ohne oder über die Maske drüber weg? Mir geht’s ja gar nicht hauptsächlich um Corona und ich bin auch echt nicht besonders ängstlich vor Bakterien und Dreck und so, aber ich würde wirklich gern selbst entscheiden, an welcher Stelle ich mit welchen Körpersekreten, Ausdünstungen etc. von anderen Menschen in Kontakt komme… und, von wem!