Warum Dorf?

Ganz aktuell gibt es eine kleine Landflucht. Sie wäre vermutlich größer, wenn die Imobilienpreise niedriger wären oder Bauholz bezahlbar. Tatsächlich haben sich diverse Menschen entschlossen der Stadt jetzt entgültig den Rücken zu kehren. Und andere Menschen haben festgestellt, sie können ihren Job mitnehmen. Das ist nämlich Bedingung – entweder fährt man oder besser man bringt seine Arbeit mit aufs Land. Es gibt ein paar Verrückte, die erschaffen im ländlichen Raum ihre Arbeit, indem sie Kunsthandwerk gestalten, eine Imbissbude aufmachen oder Kanus verleihen. Das kann man machen, ist aber mehr Lebensgefühl als Geld. Man tut sich mit dem Dorf leichter, wenn man schon auf dem Dorf groß geworden ist. Dann ist man auch bereit auf diverse Dinge zu verzichten, für den Dorf-Flair. Oder man hat romantische Vorstellungen vom Dorfleben, in dem die Hähne krähen, es frische Eier vom Nachbarn gibt und beim Dorffest Polka getanzt wird. Auf letztere würde man im Dorf gerne verzichten. Manchmal will man sein Leben aber auch umkrempeln, ausmisten, verändern, naturnaher gestalten, dann findet man vielleicht sogar das richtige Dorf. Allerdings sollte man nicht auf das was man unter natur oder öko versteht zu ernst nehmen, sonst gerät man in einen geistigen Konflikt, wenn der Nachbar auf dem Lagerfeuer die Plastikteller entsorgt. Und es ist nicht unbedingt leicht zu verstehen, dass Bauschaum im Altbau wunderbar Probleme lösen kann, wobei die Lösung vom Bauschaum ignoriert wird.

Mecklenburg hat gute Voraussetzungen für Stadtflüchtlinge. Es gibt eine Menge Toleranz gegenüber Neulingen, die nicht wissen, wer vor 40 Jahren auf Hufe 8 gewohnt hat. Man ist auch geduldig mit Rasenfanatikern und naturnahen Gartenfreaks. Etwas ungeduldiger wird es, wenn der Neue es besser weiß. Aber das ist nirgendwo gern gesehen. Andere Ecken von Deutschland tun sich da schwerer mit denen aus der Stadt, die in hellen Hosen am Sonntag mit dem Fahrrad vorbei fahren. Da bedarf es vom Zugegzogenen schon eine Menge Feinfühligkeit, um anzukommen. Und in manchen Ecken bleibt man einfach außen vor. Das Besondere am Dorf bleibt eben nur erhalten, wenn da nicht jeder Hans und Franz hinzieht. Da bedarf es schon eines Testlaufes, einer Feuerprobe und einer gewissen Anpassungsphase, damit ein Dorf auch ein Dorf bleibt. Das wird selbstverständlich überwacht. Was die einen als Zusammenhalt des Dorfes preisen, in dem man noch seinen Nachbarn kennt, empfinden andere eher als unzumutbare Überwachung. Es ist einfach normal, dass man am nächsten Morgen Dorfgespräch ist, wenn man am Abend vorher spät und womöglich noch angetrunken nach Hause gekommen ist.

Es ist immer eine Frage des Blickwinkels. Kann ich damit leben, dass ich eine Speisekammer brauche, die auch gefüllt sein muss? Auf dem Land geht man nicht mal eben eine Butter holen. Es sei denn man leiht es sich beim Nachbarn. Ist es für mich in Ordnung, dass jeder weiß welche Farbe meine Unterwäsche hat, weil man auf meine Wäscheleine gucken kann, oder besorge ich mir besser trocknerstabile Wäsche? Ich liebe es unterbrochen zu werden, weil ein Nachbar am Grundstück vorbei kommt auf einen Klönschnack. Aber wer zügig mit der ungeliebten Gartenarbeit fertig werden möchte, fühlt sich vielleicht bedrängt. Es ist manchmal merkwürdig, dass jeder weiß, wer ich bin und ich oft genug nicht weiß, dass ich den Cousin vom Halbbruder von dem Nachbarn gegenüber vor mir habe. Aber daran arbeite ich hart!

Wieviel Foto braucht man?

Das digitale Erbe

Mal eben das Handy nehmen und ein Bild machen. Ich drücke auch gerne mehrmals den Nachkommen des Auslösers und die Bilder prasseln nur so in meinen digitalen Speicher, der spottbillig ist. Mein aktuelles Smartphone macht aus einem Bild einen Miniaturfilm, damit man sich das beste Motiv heraussuchen kann. Mit einem Klick mal eben 20 Aufnahmen, die fast egal aussehen.

Meine Cloud ist aus Geiz begrenzt und der Speicherplatz meines Smartphones auch. Somit lade ich regelmäßig die Bilder auf die externe Festplatte, die mit einem kostengünstigeren Cloudangebot verbunden ist, damit ja keines der 3000 Bilder jeden Monat verloren geht. Und es herrscht Ordnung in meinen Bildern. Seit 2006 fotografiere ich digital. Für jedes Jahr gibt es einen Ordner mit Unterordnern. Ein bisschen habe ich umgemodelt, denn anfangs war Speicherplatz sehr viel teurer und es waren keine 1000 Fotos im Monat. Da habe ich noch nach Ereignissen sortiert. Jetzt ist nach Jahr und Monat sortiert. Und weil der Datenwust so groß ist, mitunter noch nach weiteren Unterordnern. Ich liebe Fotos und durchsuche auch die alten Ordner regelmäßig, ärgere mich über Unordnung oder falsche oder fehlende Metadaten in den alten Bildern. Tatsächlich gucke ich meine analogen Fotos seltener an.

Das hindert mich nicht, Fotobücher zu erstellen, die niemand anguckt. Meine Versuche Urlaub in ein spannendes Fotoalbum zu quetschen, war bisher nicht von Erfolg gekrönt. Was in meinem digitalen Ordner wie eine gute Idee aussieht, liegt wie Blei im Regal. Und dann sind da noch die alten Fotoalben von früher. Hunderte von eingeklebten Bildern mit Untertiteln und Datum – jedenfalls bei mir. Ich habe die Alben auch mal eingescannt. Aber das sind Scans von ganzen Seiten. Die einzelnen Bilder müssten da händisch raus geholt werden. Eine Arbeit, zu der ich so gar keine Lust habe. Vielleicht ist es mir das ja irgendwann mal wert, es machen zu lassen. Denn dazu kommen die geerbten Fotoalben der Verwandtschaft. Was macht man mit einem Album, in dem Menschen zu sehen sind, von denen man nur einen kennt? Interessant sind die Fotos aus den 60iger und 70iger Jahren schon. Da sieht man die alten Autos, Straßen, die Kleidung und den Gasthof früher einmal. Interessiert das heute noch jemanden?

Was wird also aus meinem digitalen Erbe? Eine Bekannte von mir, hat gerade alles gelöscht und weg geworfen. Bei dem Gedanken steigt Panik in mir auf. Was wenn jemand gerade mein Bild für die Chronik vom Dorf braucht? Und ist es nicht so, dass jemand erst ganz gestorben ist, wenn sich niemand mehr an ihn erinnert? Will ich vergessen werden? Auf der anderen Seite frage ich mich, was man mit unzähligen Fotos von meinen Ponys will. Ein schönes Bild von der Seite und eine vernünftige Abstammung dazu, wäre ja vollkommen ausreichend.

Ich werde dennoch nachher wieder den Auslöser drücken und noch ein Bild vom Hintern meines Pferdes machen. Ich werde mich freuen es zu archivieren, die Metadaten anzupassen und es irgendwann hervorkramen und ein Fotobuch daraus erstellen, dass niemand durchblättern. Warum auch nicht?!?

Geld von der Bank

Ganz gleich, wo man wohnt, man braucht Geld. Sicher gibt es hier auch Tauschgeschäfte, aber vieles geht auch hier nur mit Geld. Nun lebe ich in einem Land, wo das Bargeld noch erlaubt ist. Das finde ich sehr erfreulich. Aber ganz gleich, wie sehr man sein Bargeld liebt, um ein Konto bei einer Bank kommt man nicht herum. Ich sehe ein, dass das viele Vorteile hat, aber leider ist die Sache mit so einem Bankkonto nicht so einfach.

Die nächste Bankfiliale ist 20km entfernt. Und auch wenn die Öffnungszeiten sympatischer sind als 1988 – das Jahr in dem ich mein erstes Bankkonto eröffnet habe; übrigens auch auf dem Land, in einer Bank (nicht Filiale – eigene Bank) in einem Dorf mit 1500 Einwohnern – so sind sie immer noch nicht gut an meine beruflichen Arbeitszeiten angepasst. Aber als digitaler Fuchs habe ich schon seit Jahren Online-Banking. Ich habe horrendes Geld für das Zubehör (Kartenleser, Software, Karte) ausgegeben, um dann sehr bequem am heimischen Computer meine Bankkonten verwalten zu können. Das hat sich wunderbar eingespielt, auch wenn es mich nervt, dass ich die Software inzwischen nicht mehr kaufen kann, sondern mieten muss. Vermutlich ist das ein wichtiges Verdienst-Standbein der entsprechenden Bank. Immerhin hat mindestens ein Softwareentwickler damit einen Arbeitsplatz.

Nun ist international die Anzahl der Anwender von Online-Banking in den letzten Jahren rasant gewachsen. Daran haben die Banken sicher ihren Anteil, denn nun müssen sie nicht mehr die handgeschriebenen Überweisungen erfassen und tragen auch keine Schuld mehr, wenn man sich vertippt. Man muss seine Kontoauszüge nicht mehr ausdrucken, was der Bank Geld spart. Und die Nachfragen am Telefon nach dem aktuellen Kontostand haben mit Sicherheit abgenommen. Aber je mehr Anwender es gibt, desto mehr kommen eben auch die illegalen Nutznießer auf den Plan, die sich in die Computer der Nutzer einschleichen und die Gelder von den Konten holen. Ich weiß nicht so genau, wie das gehen soll mit dem System das ich benutze, aber anscheinend ist es so häufig vorgekommen, dass der Gesetzgeber beschlossen hat: Mal eben einfach Geld überweisen oder den Kontostand abrufen, gibt es nicht mehr. Das muss jetzt so umständlich und unbequem sein, dass man nur noch mit voller Konzentration und einer Batterie von Hilfsmitteln, Benutzernamen, Passwörtern und diversen Nummern Geld loswerden kann. Ich finde das doof, aber mich fragt ja keiner.

Meine digitalen Fähigkeiten haben jedenfalls nicht ausgereicht, um mich ganz banal auf der Internetseite der Bank einzuloggen. Da aber die Bank passend zu ihrem Online-Angebot auch die telefonische Erreichbarkeit angepasst hat, war ein Gespräch nach meinem Feierabend möglich. Sehr nett und kompetent wurde ich in die neuen Geheimnisse der Zeichen auf meinem Kartenleser, der Kontrollnummern und der Transaktionsnummern eingewiesen. Die Möglichkeiten sich zu vertippen sind jetzt von eins auf fünf angewachsen. Was daran sicherer ist, erschließt sich mir nicht, aber die nette Dame von der Bank kann nun auch nichts dafür und so wirklich erklären kann sie das auch nicht. Einfacher wäre es übrigens, wenn ich die Bankgeschäfte nur noch vom Handy aus mache. Da genügt es, das Handy mit biometrischen Daten zu schützen. Dann braucht man nur noch ein Passwort und Bankgeschäfte gehen ganz einfach. Ich denke dabei eher an abgeschnittene Daumen, die auf ein Handydisplay gehalten werden. Vermutlich habe ich zuviele schlechte Filme gesehen.

Das ist jedenfalls der Moment, wo ich gerne wieder Bargeld in die Hand nehme und in meinem Konsum meine Milch kaufe. Das ist genau so unkompliziert wie immer.

Licht am Ende des Tunnels

Wir haben ein Loch in der Wand. Das geht so bodennah durch die vorgestellte Trockenwand zu den Ziegeln der Außenwand runter durch das Fundament aus Granitsteinen und endet draußen in einem Loch neben der Haustür. Das ist sehr feierlich, denn durch dieses Loch wird das Glasfaserkabel ins Haus laufen. Und das ist ja mal so richtig ein Sprung in das digitale Zeitalter.

Nun sind wir hier glücklicherweise, digital betrachtet, nicht ganz hinter dem Mond. Ich muss diesen Blog nicht auf dem Handy schreiben und dann zur Koppel laufen, um hinten links am Schleppdach zwei Balken zu haben, wo sich der Text dann hochlädt. Tatsächlich kann ich das in meinem Büro machen und die stabile kabelgebundene (Kupfer!) Leitung in das Netz der Netze ist hergestellt. Ich habe hier 50.000er Internet. Das ist wohl ziemlich gut, wie mir andere Menschen aus Gegenden bescheinigt haben, in denen man einen Internetzugang erwartet, den man beim Upload den Zeitaufwand nicht bemerkt. Ich bin damit zufrieden, weil der Download beim Film-gucken ruckelfrei läuft – meistens jedenfalls.

Aber was wäre das Leben, wenn man nicht auch mal mehr möchte. Wenn man sich nach dem Himmel streckt und ein bisschen höher kommt. Und dann die Realität, in der vor gefühlten wenigen Jahren ein 16.000 Zugang super schnell war. Heute geht das gar nicht mehr. Was ist also mit meiner Leitung in wenigen Jahren? Somit fiel die Entscheidung für ein Glasfaserkabel leicht. Erleichtert hat die Entscheidung auch, dass ich endlich mal nicht abgehängt sein möchte. „Du wohnst auf dem Land?“. „Dein Ort hat weniger als 500 Einwohner?“. Das sind so typische Fragen, wenn man erwähnt, wo man wohnt. Und da schwingt auch gleich die Frage mit: „Was machst du den ganzen Tag so ohne Kneipe, Jumphouse, Supermarkt und Internet?“ Ich kann sagen: Zum Saufen gehe ich zum*r Nachbarn*in. Ich springe nicht, ich fahre Schubkarre. Der Konsum steht noch. Meine Internetleitung ist gar nicht so schlecht. In Zukunft werde ich dann sagen können: Meine Internetleitung ist besser als in Hamburg.

Ein Wehrmutstropfen hat das ganze. Der Zeitpunkt der Zukunft ist leider noch ungewiss. 2020 war Baubegehung. Vielleicht werden 2021 die Straßenbaumaßnahmen stattfinden. Und dann wird die Leitung irgendwann 2022 wohl hoffentlich verlegt. So lange halte ich mich fit, damit ich die Zukunft noch erlebe.

Weihnachtsdeko

Habt ihr schon geschmückt? Ich meine nicht den Weihnachtsbaum im Wohnzimmer, sondern die Fenster oder den Garten. Wenn man so durch die Stadt fährt, dann verrenkt man sich den Hals nach oben, weil nur dort die Balkone zum Teil leuchten, wie die Werbetafeln in amerikanischen Filmen. Es scheint da auch einen Gruppenzwang zu geben, denn es gibt dunkle und leuchtenden Blocks.

Ich habe es aufgegeben ein Haus zu bekommen, dass aussieht wie im Film „Schöne Bescherung“ von Chevy Chase. Dort ist das ganze Dach und die Fassade mit Glühbirnen bedeckt. Passend dazu wird im Film gezeigt, wie das Stadtviertel kurz in Dunkelheit versinkt, weil die Beleuchtung soviel Strom frisst. Das Problem ist ja heute kleiner, da die LEDs deutlich weniger Strom verbrauchen. Trotzdem bleibt die Arbeit, die Lichterketten, Sterne und Schleifen zu montieren.

Mir dämmert allerdings so langsam, dass selbst hunderete Meter Lichterketten nicht diesen Leuchteffekt auslösen würden. Das Problem ist ganz banal – der Hof ist zu groß. Zwei Lichterketten hängen jetzt. Auf einem 600qm Grundstück wäre das zusammen mit einem Schneemann vor dem Haus und einem Türkranz schon ein Vollschmuck für ein Häuschen. Bei mir fragt man sich, warum es so dunkel ist und dahinten ein Lichtlein glüht. Überhaupt hat niemand etwas von der Deko vor meiner Haustür. Von der Straße aus kann man es nicht sehen. Und klingeln tut hier höchstens der Hermes Bote. Man geht durch den Nebeneingang und ruft – je nachdem wer – „Hallo“ oder „Tinki?“ oder manchmal auch „Scheiß Köter!“. Letzteres passiert, wenn ich nicht da bin und mein Terrier laut kläffend angerannt kommt. Er macht das auch, wenn ich da bin, aber dann hört man sofort „Bist du jetzt endlich ruhig! Ich versteh ja kein Wort.“

Ich bin sonst durchaus ein Gegner von Lichtverschmutzung. Die ist vor allem für Insekten und einige Nachteulen (oder ähnliches) gefährlich. Da diese Tiere in der Winterzeit sehr selten sind, darf man Abends und Morgens meiner Meinung nach ruhig beleuchten. Die wenigen Stunden, in denen es im Winter hell genug ist, um draußen ohne Kopflampe zu laufen, werden so wenigstens etwas erhellt. Ich werde weiter ein wenig vor mich hinträumen von einer beleuchteten Allee auf meinen Hof, die bei einem beleuchteten Trecker mit einem Hänger voller Geschenke endet. Vielleicht fällt mir irgendwann auch noch etwas originelleres ein. Die Kirche aus Lichterketten bei einem Gerüstbauer hat mich sehr beeindruckt. Aber Nachmachen gilt nicht!

Frohes Fest und Guten Rutsch

Eigentum verpflichtet

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 14 

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_14.html

So ein Wohnahus mit Grundstück jedenfalls will erhalten und gepflegt werden. Zuerst mal geht es dabei um Eigeninteressen. Man möchte ja schön und ordentlich wohnen und lange halten soll es auch noch. Dann kommen schon die Interessen der Umliegenden. Wie viel merkwürdige Blicke der Nachbarn kann und will man aushalten, weil der Brennesselhorst neben der Einfahrt immer größer wird. Bis hin zu eben den gesetzlichen Vorschriften, die dazu führen, dass wir den Rinnstein vor unserem Grundstück sauber halten müssen.

Regenrinne
vermooste Regenrinne

Immerhin hat der Gesetzgeber eine eher schwammige Formulierung gewählt. Es bleibt ja die Frage offen, ob man den Rasen mähen muss oder nicht. Auf jeden Fall darf man Gebäude auf dem Grundstück nicht einfach verfallen lassen, auch wenn ich das schon anders erlebt habe. Vielleicht gibt es da ja Ausnahmeregelungen, wenn niemand gefährdet wird oder so. Und wie dient denn eigentlich mein Haus und Grund der Allgemeinheit? Wäre da nicht ein offener Blick auf das Grundstück und die schön gepflegte Anlage angemessen? Dann müssten ja alle die schönen Häuser mit hohen Mauern ihr Konzept ändern. Oder sollte einfach nur der Müll und Schrott nicht gerade bis auf die Straße raus wandern? Solche Grundstücke sind nicht gern gesehen. Da beginnt die „Hintenrum- Justiz“ des Dorfes – Lästern.

Die Dorfjustiz sorgt im Großen und Ganzen auch sonst dafür, dass man sich verpflichtet fühlt. Der Rasen, der Baumschnitt, der Blumengarten vor dem Eingang – alles wird von den Nachbarn beäugt und kommentiert. Sehr schöne Grundstücke werden zu Pilgerstätten, die jeden Sonntag einen Ausschank am Hoftor machen könnten, weil so viel Betrachter kommen. Die „Schandflecken“ müssen sich da schon mehr anstrengen. Aber wenn sie wirklich ausreichend Schrott angesammelt haben, dann hat man den gleichen Effekt.

Die Sache hat aber noch ein weiteres moralisches Nachspiel. Eigentum, ganz gleich ob an einem Haus, Pferd oder Kugelschreiber, bindet den Menschen auch. Sie hält dich fest und schränkt dich ein. Je mehr Eigentum, desto weniger Freiheit! Auf der anderen Seite:

Das Eigentum gibt dem Menschen die notwendige Unabhängigkeit und Freiheit, um das Leben eigenverantwortlich zu gestalten. Es ist Ausdruck und Mittel der individuellen Selbstverwirklichung. Die Freiheit des Individuums bliebe ohne das Eigentum eine leere Formel, weil dem Menschen die materiellen Voraussetzungen selbstständiger und eigenverantwortlicher Daseinsgestaltung fehlen würden. Quelle: https://www.bpb.de/apuz/316452/was-ist-eigentum

Ganz praktisch sieht es so aus. Man wünscht sich das eigene Haus mit einem möglichst großen Grundstück und einem sympathischen Baumbestand. Dann lebt und arbeitet man, harkt die Blätter, pflanzt Blumen und Hecken, reinigt Dachrinnen und Badezimmer. Und im Laufe der Jahre wird das immer beschwerlicher. Das liegt vielleicht auch an der Gebrechlichkeit des Alters, aber auch daran, dass man materielle Dinge immer weniger schätzt. Da wird das geliebte Eigentum zum Killer der Freiheit. Vielleicht es auch nur eine typisch menschliche Entwicklungsphase, das letzte Stück der Pupertät oder so, die einen erkennen lässt:

Der Besitz besitzt. – Nur bis zu einem gewissen Grade macht der Besitz den Menschen unabhängiger, freier; eine Stufe weiter – und der Besitz wird zum Herrn, der Besitzer zum Sklaven. Friedrich Nietzsche

Rasen mähen weil der Nachbar guckt

Mein Garten ist naturnah. Jedenfalls erzähle ich das jedem, der es merkwürdig findet, dass so viele Brennnesselhorste auf meinem Grundstück sind. Immerhin beherbergen die Brennnesseln die Raupen vom Admiral, vom Kleinen Fuchs oder vom Tagpfauenauge. Nun ist mein Grundstück sehr groß und das Unkraut könnte auch hinten wachsen, denn in Wahrheit komme ich mit der Pflege einfach nicht hinterher. Oder an manchen Tagen, wenn es kalt ist, regnet oder zu heiß ist, habe ich keine Lust. Weniger gärtnern ist mehr. So lautet dann mein Wahlspruch und der naturnahe Trend kommt meiner faulen Haut entgegen.

Das hindert aber im Dorf niemanden daran, mich auf den langen Rasen anzusprechen. Meine Bemühungen Naturschutz zu erklären, werden mit einem mitleidigen Lächeln oder hochgezogenen Augenbrauen quittiert. Es nutzt also nix – da muss ich drüber stehen oder eben doch mal das Grundstück, wenigstens zur Straße hin, pflegen. Das Stück Rasen der Gemeinde, das sich zwischen Gehweg und Straße befindet, halten wir inzwischen relativ kurz. In jungen Jahren haben wir da die Ponys drauf gestellt. Heute sehen wir es ein, dass ein ansprechendes Dorfbild nur erreicht werden kann, wenn dieses Stück regelmäßig gemäht wird. Man macht da so eine Metamorphose durch. Modern wird das wohl als Inklusion bezeichnet. Es passiert eine Anpassung an die örtlichen Sitten und Gebräuche.

Das ist ja auch nicht immer schlecht. Bei meinen Brennnesseln bleibe ich hartnäckig. Aber den Rinnstein putze ich. So im Laufe der Jahre ist mir klar geworden, dass es Sinn macht, wenn das Wasser auf der Straße vernünftig abfließen kann. Und das geht eben nur mit einem sauberen Rinnstein. Und ein Blumenbeet zur Straße hin gibt es inzwischen auch. Es ist immer noch ein bisschen naturnah, weil da bienenfreundliche Pflanzen stehen. Aber es wird auch gekratzt und gejätet, damit die Nachbarn was zu gucken haben. Und wenn sich ein Tourist verirrt, dann ist er angetan von der Blütenpracht. Der äußere Schein ist zwar nicht alles, aber trotzdem der erste Eindruck. Es kann ja nicht schaden, wenn der angenehm ist.

Wie lebt es sich mit der Krise auf dem Dorf?

Ich weiß ja nicht wie es euch mit dem Lock-down geht, aber ich habe noch nie so viele gute und vor allem vollkommen neue Witze gehört, wie seit wir in der Krise stecken. Das ist eventuell Galgenhumor oder es zeigt, wie die Menschheit in Krisen tickt. Hier auf dem Dorf wird sich zum Beispiel gerne über die Abstandsregel lustig gemacht. Ein Meter fünfzig ist auch ziemlich nah. Der Kaffee – zu welcher Uhrzeit auch immer – wird jetzt vermehrt draußen zusammen getrunken. Und die Gurken aus Nachbars Gewächshaus werden an der Haustür übergeben und nicht erst im Flur. Das hält auch die Wohnung sauberer. Ich bin mir sicher, dass das Letztere so bleiben darf.

Lock down im Dorf März 2020
So sah es zu Beginn des Lockdowns am 20.03.2020 aus

Ich war nicht gleich auf Zack, aber dann bin ich los, um dokumentarisch in Bildern die Situation des Lock down im Dorf zu dokumentieren.

Lock Down auf dem Dorf Mai 2020
Die gleiche Stelle nur diesmal am 31.05.2020

So schön, ist es im Mai im Dorf. Alles ist ergrünt. Das Wetter war auch fantastisch gewesen.

Zum Ende des Lock down auf dem Dorf Juli 2020
Jetzt sind wir auf dem Weg aus dem Lock down raus. 13.07.2020

Jetzt im Juli lässt das gute Wetter nach. Die geringen Infektionszahlen im Dorf, im Kreis, im Land haben ja dazu geführt, dass man sich offiziell auch wieder in den Wohnzimmern treffen darf. Somit entsteht auch kein Kommunikationsabriss. Dafür kommt das immer lautere Murren über Vorschriften, die vermutlich in größeren Städten Sinn machen, aber auf dem Dorf absurd sind. Ich denke da an die Regelung mit den Einkaufswägen in den Discountern. In dem 130qm großen Konsum ist ein Einkaufswagen albern, wenn man eine Packung Milch braucht. Merkwürdig ist es auch, dass keine Gottesdienste statt finden durften. Hier erscheinen im Höchstfall fünf Leute an normalen Sonntagen.

Mein Garten sah noch nie so gepflegt aus wie in diesem Jahr. Die ganzen ehrenamtlichen und familiären Termine sind weg gefallen und die Zeit habe ich genutzt. Eingepfercht in einer 80qm Wohnung im Homeoffice in der Stadt, hätte ich wohl auch meine Probleme gehabt. Die ersten Besuche in den größeren Orten zum Einkaufen, waren mit etwas Unsicherheit verbunden. Was darf man denn nun und was sollte man unterlassen? Ich war dank Cindy auf dem neuesten Stand, sonst wäre ich mir wohl vorgekommen wie vom anderen Stern. Hier bleiben wir jedenfalls entspannt .- wie sonst eben auch.

Bring Service

„Wo bekomme ich am Samstag Abend meine Pizza her?“ lautete die Frage des neuen Nachbarn. Ich habe wohl etwas verständnislos geguckt. Der Nachbar kommt vom Dorf. Der müsste es doch wissen. Bring Service ist hier etwas, was so selten ist, wie ein Krokodil im Garten. Also es gibt das schon, aber eben nur ein bisschen, oder manchmal oder wenn man rechtzeitig bestellt.

Daran hat auch die Krise nichts geändert. Das Sterben der Gasthöfe gerade auf dem Land ist schon so weit fortgeschritten, dass man nur wenig Solidarität zeigen kann, indem man einen Bring- oder Holservice nutzt.Und einen Stammtisch kann man einfach nicht in eine virtuelle Umgegend versetzen. Der Sinn eines Stammtisches ist ja auch, dass man eben nicht zu Hause ist. Dort wartet nur der Garten, der Rasen, der angefangene Schuppenbau oder das ungeputzte Bad. Das alles kann die ein oder zwei Stunden Stammtisch auch weiter warten. Es ist also nicht das Essen oder das Getränk, was einen in die Dorfkneipe lockt, sondern eher das Neuste. Hier laufen die Fäden so zusammen, wie im kleinen Konsum. Man erfährt, wer die neuen Nachbarn sind, wessen Kinder auf der Strohmiete geturnt haben oder wann die Mülltonne vor die Tür muss. Dafür gibt es einfach keinen Ersatz.

Muss ich jetzt doch kochen? Vielleicht – ist die klare Antwort. Bring Service erfordert hier etwas Kreativität. Der nächste Döner ist im besten Fall 12km entfernt. Das ist dicht genug, um einen halbwegs vernünftig temperierten Döner zu Hause essen zu können. Um das zu nutzen, muss man wissen, wer dort in der Nähe arbeitet und wann derjenige Schluss hat. Es bedarf also einiger Planung, um dann mal eben zu telefonieren und den Transport zu organisieren. Dabei muss der eigene Hunger sich an den Zeitplan des Fahrers halten. Alternativ kann man sich auch Pizza bringen lassen, wenn man denn 25,00 Euro Mindestumsatz macht. Da heißt es die Nachbarn zusammentrommeln, damit sich die Fahrt lohnt. Allerdings ist der einzige Pizza-Service, der das hier anbietet, nicht so sehr lecker. Was sehr lecker ist, aber sich strickt an einen festen Zeitplan hält, ist das Essen auf Rädern. Das sind hier nicht die Großküchen, die kochen, sondern die kleinen, dörflichen Gaststätten. Und die richten sich nach den Abnehmern, die es am häufigsten nutzen – den Rentnern. Da heißt es dann: Zwölf ist Mittag. Das ist lecker und gesund, nur leider nix, wenn einem am Abend die Lust am Kochen fehlt.

Am schönsten ist es, wenn man die Nase in den Wind steckt und den Nachbarn besucht, bei dem es am leckersten riecht. Dann klingelt man mal und bei der Bemerkung „Wir essen gerade.“ antwortet man nicht „Ich weiß!“, sondern schlagfertig „Oh – ich hatte heute noch nichts.“ Normalerweise wird hier überall so viel gekocht, dass es problemlos für einen oder zwei überraschend auftauchende Gäste auch noch reicht. Und oft genug sieht man die Erleichterung in den Augen der anderen Bewohner, die davon befreit werden, am nächsten Tag die Reste essen zu müssen. Dumm nur, wenn man am Restetag kommt. Es reicht noch, ist aber eben nicht ganz das Original.

So bleibt schlussendlich nur die Vorratswirtschaft. Wir haben eine große Truhe und eine extra Speisekammer, so dass auch Platz ist für die schnellen Essvarianten. Das geht genau so schnell wie der Bring Service und spart auch noch Geld. Dazu kommt eine Gastro-Friteuse, die uns darin unterstützt volles Fastfood-Feeling zu bekommen. Die ganze Bude stinkt nach Fett und die Waage zeigt ein Kilo mehr an.

Fixtermin

Auf dem Dorf ist man ja nicht ganz weit weg vom normalen Leben. Eben eigentlich nur ein bisschen. Also so kommt es mir vor. Wir fahren in den Discounter zum Einkaufen, haben Telefon und hier tatsächlich auch Internet (schneller als in so mancher Großstadt übrigens). Es gibt Nachbarn mit denen man gut kann und solche, die man eigentlich gar nicht kennt, vor allem, wenn sie noch nicht so lange hier wohnen.

Und es gibt – jedenfalls, wenn man Amazon glauben darf, die Belieferung am nächsten Tag. Da gab es sogar mal eine Werbung mit Gummistiefeln dazu. Also so etwas braucht man ja eigentlich nur auf dem Land am nächsten Tag. Tatsächlich klappt das manchmal auch. Nur ich frage mich ernsthaft, was denn so dringend sein kann, dass man es am nächsten Tag unbedingt braucht. Hier auf dem Dorf ist man üblicherweise so ausgestattet, dass der nächste Besuch in der Stadt auch problemlos auf nächste Woche oder den nächsten Monat verschoben werden kann. Eine Gefriertruhe, ein großer Kühlschrank (besser zwei), eine Speisekammer, Brennholz, einige Batterien und einen Kanister Diesel hat man immer stehen. Was könnte also so dringend sein, dass es am nächsten Tag unbedingt da sein muss?

Wenn also meine Ware am nächsten Tag angeliefert wird. Brauche ich das wirklich? Dann doch schon eher den Fixtermin. Wohnen auf dem Land bringt ja in den meisten Fällen, arbeiten in der Stadt mit sich. Anders gesagt: Man ist nicht unbedingt zu Hause. Ich selbst habe das Glück, meine Arbeit vor der Haustür zu haben, aber damit bin ich die Ausnahme. Und damit bin ich die „kleine Poststation“ in der Straße. Ich nehme Pakete, Einschreiben oder ganze Paletten für mich und die Nachbarn an. Es hat sich da ein System entwickelt, bei dem ich ein Foto des Gutes oder des Briefes per Messengerdienste (verschiedene Nachbarn, verschiedene Dienste) schicke. Das ist gut für mein Ego, weil sich fast alle freuen. Die gelben Briefe sind nicht so beliebt, aber nicht alles im Leben macht eben Spaß. Der Fixtermin ist dann für das Zeug, was nicht nur angeliefert wird, sondern auch noch persönlicher Betreuung durch den Empfänger bedarf. Dazu zählen Sofas, die gleich aufgebaut werden oder Heizungen, die mit Einbau gekauft wurden. Fixtermine braucht hier auch der Schornsteinfeger oder der Wasserableser.

Am Ende ist es eine Organisationsfrage. Man sollte gut vorbereitet sein und einen Nachbarn haben, der das Paket annimmt. Den Rest kann man dann mit Hilfe von Fixterminen abfrühstücken.