Projekte

Als Enkeltochter eines KFZ-Handwerkers liegt es wohl ein wenig in der Natur der Dinge: Ich habe Benzin im Blut, immer irgendein Stück Werkzeug in der Besteckschublade und mein Spirit Animal ist der Winkelschleifer.

Eigentlich bin ich auf den Hof, auf dem ich seit einiger Zeit wohne, aber aus ganz anderen Gründen gezogen: Nachdem dort Tinkis Shetlandpony-Zucht wohnt, bot sich das mit eigenem Pferd einfach an.

Dass das noch aus ganz anderen Gründen irgendwie ganz passend war, wurde mir erst nach einiger Zeit klar, aber mittlerweile ist es mir bewusst geworden: Auch hier denkt, nein lebt man förmlich in Projekten. Bei mir selbst fängt das ja schon damit an, dass ich alte Autos fahre (an denen stets und ständig irgendwas zu tun ist) und hört noch lange nicht damit auf, dass ich noch ein altes Duo stehen habe, das ich „irgendwann mal“ fertig mache, um mal zwei Beispiele zu nennen.

Eines der aktuellsten Projekte: Ein neuer Boden für Nachbars Anhänger – manchmal laufen Projekte hier auch haushaltsübergreifend, und irgendwie involviert ist man ohnehin meistens.

Man könnte die Dinge, die so zu tun sind, natürlich auch einfach so erledigen – ganz ohne Projekt… das endet dann allerdings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht anders als andere Dinge, die man sich so vornimmt.

Ganz anders ist das bei Projekten: So habe ich irgendwann festgestellt, dass ich zwar seit fast 20 Jahren Kaffee getrunken habe, den aber plötzlich nicht mehr vertrage. Man könnte in so einem Fall ja einfach aufhören, Kaffee zu trinken – man könnte sich aber auch mit dem Thema „Cold Brew“ anfixen lassen, also mit kalt „aufgebrühtem“ Kaffee. Dafür muss man seinen Kaffee selbst mahlen, weil das Zeug aus der Tüte zu fein ist, und Ihr ahnt es schon: Ich habe mir natürlich eine Kaffeemühle besorgt und plütere seitdem regelmäßig in allerschönster Hexenküchen-Manier mit irgendwelchen Flaschen und Filtern herum, was im Grunde schon jedes Mal ein Projekt für sich ist.

Oder die Aktion, die diesem Blog ihren Namen gab: Da habe ich irgendwann mitten in der Nacht begonnen, Tomaten auszusäen… natürlich ist da trotz der Mühe im ersten Anlauf nichts draus geworden, aber auch das ist irgendwie typisch für (meine) Projekte: Erstmal planen, dann irgendwie machen, das Ganze komplett in den Sand setzen und sich dann informieren, wie es richtig geht. Im Falle der Tomaten ging es übrigens richtig, indem ich Nachbarn habe, die das mit den Tomaten offensichtlich besser drauf haben, als ich…

Auch typisch für ein Projekt: Das Ganze reift erst lange Zeit im Geiste, um dann etwas (oder viel bis ziemlich viel) später, wenn ich eigentlich selbst schon nicht mehr damit rechne, unerwartet Fahrt aufzunehmen… so wie die Sache mit der Weide: Seitdem ich weiß, wie diese sich vermehrt und dass Tinki gern ein zweites Exemplar der Weide am Parkplatz hätte, denke ich darüber nach, Wurzeln an einen Zweig des Original-Baumes zu züchten (bisher natürlich erfolglos – siehe vorheriger Absatz, immerhin steht nun allerdings schon mal ein Stöckchen im Wasser).

Und so leben wir hier tagein, tagaus mit und in unseren Projekten… und wenn wir nicht spontan zu Tode gekommen sind (sei es zum Beispiel durch eine unerwartete und vermutlich im Bezug zu irgendeinem Projekt stehende Detonation oder schlicht, weil jemand in ein Loch getreten ist, das gestern garantiert noch nicht da war, sich den Fuß verstaucht hat und in der Folge tragischerweise verhungert ist, weil ihn auf dem weitläufigen Hof niemand rechtzeitig gefunden hat), schmiedet irgendwer bestimmt gerade wieder einen Plan…

„Wir werden Sie benachrichtigen, sobald Ihr(e) Artikel versandt wurde(n).“

Aus völlig rationalen Gründen hat es mich vor einer Weile aufs Dorf verschlagen… da kann man beispielsweise ganz hervorragend nahezu unbehelligt in der Nähe seiner Pferde wohnen. Außerdem ist es deutlich unwahrscheinlicher, dass einem die Küche wegschwimmt, weil der Typ, der in der Platte über einem wohnt, in seinem Drogenrausch nicht mitbekommt, dass seine Waschmaschine die ganze Bude unter Wasser gesetzt hat, um an dieser Stelle nur zwei Gründe für diese Entscheidung zu nennen.

Nun hat das Ganze neben den zahlreichen Vorteilen allerdings auch einige Nachteile, und mit einem davon möchte ich mich in diesem Artikel beschäftigen.

Apropos Artikel – mit Artikeln hat das Ganze (wie die Überschrift bereits verriet) zu tun: Die Rede ist vom Einkaufen. Zwar gibt es hier im Ort einen Dorfladen, der sogar ab und zu geöffnet hat, aber für den alltäglichen Spezialbedarf einer ehemaligen Wahl-Fast-Großstädterin ist das nichts. So trug es sich zu, dass ich zum Laden des Akkus eines Musikgerätes zur inwändigen Beschallung meiner nicht mit einem Radio ausgestatteten Fahrzeuge ein Spezialkabel aus der Raumfahrttechnik benötigte – so fühlten sich die Beschaffungsversuche dieses Kabels jedenfalls an.

Zunächst kontaktierte ich die Kette, zu der das Geschäft gehörte, das in der nächsten Kleinstadt das Gerät, auf das eigentlich sogar noch Garantie war, verkauft hatte, zwischenzeitlich aber geschlossen hatte – die Antwort war unbefriedigend: Ich sollte das Gerät in die nächste, 30 km entfernte Stadt bringen, um es von dort aus zum Hersteller einschicken zu lassen und hätte es dann wieder abholen können – vermutlich mit einem Zettel, dass Kabel nicht unter die Garantie fallen, und apropos fallen – das fiel natürlich aus.

Ich versuchte dann mein Glück in eben jener bereits genannten Kleinstadt, aus der das Gerät stammte, denn dort gab es eine neue Elektronik-Bude, die bereits mit einer elektrisch betriebenen Kaffeemühle weiterhelfen konnte, nachdem ich in der ganzen Stadt keine handbetriebene hatte finden können. Die Aussage zu dem Kabel war: „Hamwa nich, geh mal zur Handybude.“

Da stand ich nun vor einem Geschäft, vor dem sich in meiner langjährigen Wahlheimat zwielichtige Typen und Hipster mit Hornbrillen und zu kurzen Hosen versammelt hätten – alleine. Auch in der Bude war nichts los, und ein freundlicher Mitarbeiter teilte mir sein Bedauern mit, mir nicht helfen zu können. Schade.

Lange Rede, kurzer Sinn: Auch in mehreren anderen Geschäften sah es nicht besser aus, so dass ich das Kabel bestellt habe. Im Internet. Bei einem bekannten, internationalen Online-Kaufhaus. Für ganze 8,89 € wird dieses Spezialprodukt elektrotechnischer Ingenieurskunst also nun (begleitet von mehreren E-Mails, wo sich das Ding gerade befindet, wann es vermutlich da ist und was ich unbedingt noch alles kaufen sollte) bis vor meine Haustür geliefert werden, und ich bin somit also mit daran schuld, dass der Einzelhandel vor Ort ausstirbt. Außerdem werde ich vermutlich über kurz oder lang die Kontrolle über meine Finanzen und überhaupt über mein Leben verlieren – bis dahin habe ich aber wahrscheinlich so ein Smart-Home, in dem mein Kühlschrank heute online bestellt, was ich morgen dann unweigerlich essen werde oder so… und ein Kabel zum Laden meines Musikröddels für im Auto, alles bestellt im Internet.