Manchmal habe ich mit Freunden, die in der Stadt wohnen und auch von da stammen merkwürde Diskussionen. Dann springt mich mitunter ein Thema an, dass anscheinend in der Stadt und auf dem Dorf unterschiedliche Auswirkungen hat.
Dieses Mal ging es darum, wann man wo im Recht ist. Da gibt es den privaten Parkplatz, der in der Stadt sehr kostbar ist. Ist er unberechtigt zugeparkt, ruft man den Abschleppdienst. Auf dem Dorf klingelt man an der Haustür, vor dem das Auto steht, geht durch die Hintertür rein oder brüllt: „Kannst du mal deine Karre wegfahren?“. Oder auch das Ruhegebot am Abend oder am Sonntag. Brüllt man in der Stadt aus dem Fenster: „Mach mal deinen Laubpuster aus?“? Hier wirft man am nächsten Sonntag einfach die Flex an, wenn der Nachbar letzten Sonntag mit dem Bagger seinen Swimmingpool ausgehoben hat. Ich erinnere mich noch, wie der Trettrecker meiner Kinder eines Tages verschwunden war. Es war kurz nach dem Abholtermin vom Sperrmüll, der damals noch an fixen Tagen zweimal im Jahr kam. Das hatte zur Folge, dass an den Tagen Autos mit osteuropäischen Kennzeichen durch die Straßen fuhren und den Sperrmüll nach brauchbaren Gegenständen absuchten. Das gibt es so leider nicht mehr, aber das ist hier ja nicht das Thema. Jedenfalls war ich der Ansicht, dass der Trettrecker jetzt ein Kind in Rumänien glücklich machte. Tatsächlich war es aber ein Kind aus dem Dorf, dass den Kindertrecker entführt hatte. Der Trecker durfte da bleiben. Inzwischen ist dieses Kind groß und kommt noch ab und an ins Dorf. Vielleicht sollte ich jetzt mal mit ihm reden und fragen, ob mein Überlassen für ihn in Ordnung war.
Im Großen und Ganzen werden die Dinge im Dorf möglichst ohne Einschalten der Polizei geregelt. Das funktioniert nicht immer. Wenn ein schräger Vogel im Dorf andere regelmäßig körperlich bedroht, dann ist da auch mal Schluss. Aber solange nur ab und an ein Huhn verschwindet und den Kochtopf des schwer trinkenden Dorfbewohners bereichert, ist man durchaus großzügig. Und wenn die Jugendlichen ohne Helm mit ihren Simsons oder ähnlichen Zweirädern durch die Straße knattern, dann fällt mir ein, dass mein damals Zwölfjähriger alle Weglampen auf dem Hof mit dem großen Trecker umgemäht hat.
Aber hier ist auch kein rechtsfreier Raum. Eher kann man es als eigene Interpretation von Recht und Gesetz bezeichnen. Wie wir als junges Ehepaar in das Haus gezogen sind, haben wir unseren Rinnstein nicht sauber gemacht. Anfangs wussten wir es nicht und danach fragten wir uns, warum das die Gemeinde nicht selbst tut. Der damalige Bürgermeister kam zu uns, und bat uns den Rinnstein zu fegen. Wir waren empört. Heute gehe ich schon mal zu den Leuten und bitte sie den Rinnstein zu säubern. Und ich erkläre ihnen auch warum. Das Zusammenleben funktioniert einfach besser, wenn jeder seinen kleinen Teil dazu beiträgt. Und dazu gehört auch, dass man sich mal was sagen lassen muss. Mir ist es lieber, wenn der Nachbar mich darauf hinweist, als dass die Polizei vor der Tür steht.
So ganz ohne die Ordnungshüter geht es auch nicht. Manche Dinge sind eine Nummer zu groß. Manchmal werden sie aber auch größer gemacht, als nötig. Letztes Jahr klingelte die Polizei bei mir an der Haustür. Es wäre gemeldet worden, dass illegal Abfall verbrannt werden würde. Ich war konsterniert. Wenn es bei uns brennt, wäre es nett die Feuerwehr zu rufen. Und noch mutiger wäre es gewesen, selbst an meiner Haustür zu klingeln. Die Ursache vom Brand war ein Heuballen, der sich selbst entzündet hatte. Mein Mann hatte es bereits bemerkt und war beim Löschen. Sonst hätten wir womöglich doch die Feuerwehr gebraucht und nicht die Polizei. Aber besser es hat überhaupt jemand bemerkt, als dass es weiter gebrannt hätte.