Festival

Im ländlichen Raum ist ja vieles weniger vorhanden: Weniger Einkaufsmöglichkeiten, weniger Freizeitangebote, weniger Ärzte, weniger Schulen, weniger Kneipen…. Die Liste lässt sich vermutlich beliebig verlängern. Aber es gibt auch Dinge, die sind deutlich mehr vorhanden. Klar – Gegend gibt es hier mehr und Natur. Aber das liegt in der Natur der Dinge. Es gibt auch mehr Tiere. Manche davon sind auch Haustiere und andere ungewollt Haustiere.

Und dann gibt es etwas, das geht im städtischen Raum irgendwie gar nicht oder nennt sich da Demonstration oder Love Parade oder so ähnlich – Festivals.

Hier ist endlich mal Platz und nur so ein paar Menschen, die ihr Fenster zumachen und sich Ohrstöpsel in die Ohren stecken müssen. Der eine Tag Stau in einem 400 Seelendorf ist doch eine nette Abwechslung. Die lustigen Menschen, die vergessen haben, dass der Konsum um halb zwölf am Samstag schließt, sorgen immer wieder für Stimmung. Die ganz großen Festivals haben deswegen die Discounter auf ihrem Gelände.

Und sonst? Man hört die ganzen Tage in 20 Kilometer Entfernung noch die Bässe. Kostenlose Eintrittskarten? Gibt es nur für die ganz geplagten, ganz nah wohnenden Leidenden. Da man sich auskennt, kann man einen kostenlosen Platz in der Nähe finden, an dem man etwas vom Feuerwerk sieht. Das Feuerwerk, das mal eben das Wild und die Vögel vertreibt. Ich frage mich warum ich in der Brut- und Setzzeit meinen Hund anleinen muss, wenn ein Festival das auch so erledigt.

Ich gestehe, ich bin von der Sache kein so großer Fan. Geht das nicht kleiner? Und rücksichtsvoller? Vielleicht hat die nächste Generation keine Lust mehr mit Gummistiefeln durch den Matsch zu Bühnen, auf denen man kaum etwas sieht, mit überteuertem Essen und mangelhaften Toiletten. Dann kann ich wenigstens meine Rente in Ruhe im ländlichen Raum genießen.

Alkohol

Statistisch trinken Jugendliche, die auf dem Dorf wohnen früher und mehr.

Wird auf dem Dorf eigentlich mehr Alkohol getrunken als in der Stadt? Ich will nicht lange drumrumreden – Ja wird es! Da gibt es sogar Statistiken drüber. So kompliziert muss man sich das aber nicht machen. Es genügt vollkommen zum Osterfeuer ins Dorf zu kommen und mal selbst zu gucken. Dabei geht es aber nicht ausfallend oder auffällig zu, nur irgendwie ist so eine Flasche Schnaps erstaunlich schnell leer.

Dieser erhöhte Konsum beruht definitiv nicht auf Langeweile oder Frust. Auf dem Dorf ist es auch nicht notwendig sich Mut anzutrinken, schließlich kennt einen ja eh jeder. Dafür bangt man weniger um seinen Führerschein. Entweder ist man zu Fuß oder mit dem Fahrrad da, oder man wird nach Hause gefahren oder pennt auf dem Sofa bei einem Freund. Es gibt auch die Bierstraßen, aber die waren schon immer der ländlichen Polizei bekannt. Da wo man vor 20 Jahren noch mal durchgewunken wurde, weil man auf der Strecke morgens um eins wirklich niemanden gefährdet hat, wird man heute doch schon mal zum Pusten aufgefordert. Die Zunahme des Autoverkehrs im ländlichen Raum, fordert eben ihren Tribut.

Es gibt auch diverse alkoholische Kuriositäten. Wer mutig ist, trinkt den Selbstgebrannten vom Nachbarn. Wen der Konsum von Kräuter, Pflaume und Korn langweilt, der setzt schon mal Likör an. Das haben wir hier auch schon gemacht. Denn wohin mit dem ganzen Obst im Herbst? Also kam die Quitte in den Wodka und die Wallnuss in den Korn. Das Zeug steht jetzt schon länger bei mir im Regal, weil ich mich kaum traue es anzubieten. Quittenlikör klingt auch auf dem Dorf exotisch. Und ich müsste gegen den Quittenlikör des Nachbarn ankommen. Der war nämlich sehr, sehr gut gelungen. (Die Feier, wo wir ihn probiert haben, übrigens auch – und am Ende war er leer.) Die Wallnuss hingegen ist recht gut gelungen und kommt auch so gut an, dass wir das wiederholt haben. Aber aus unerklärlichen Gründen schmeckt es nie gleich. Meine Kinder haben versucht mir das mit Bio und Physik und dem fehlenden Rezept zu erklären, aber ich finde, wenn man Korn und Wallnuss mischt und Zucker reingibt, sollte es immer gleich schmecken.

Am Ende setze ich auf den Effekt, dass man nach dem dritten Glas eh nicht mehr weiß, was man da trinkt. Und ich schenke mir dann noch einen Eierlikör ein – den Selbstgemachten – von Oma Evi.