Jeder, der mich oder Tinki oder gar uns beide kennt, hätte sicherlich vermutet, dass Tinki als erste von uns beiden… nein, eher zeitlebens als einzige von uns beiden zum Thema Handarbeit bloggen würde, doch weit gefehlt: Hier ist er, mein persönlicher Handarbeits-Beitrag auf mondscheintomate.de – ungeschönt, ehrlich und für den geneigten Leser irgendwie zum Fremdschämen.
Wer es sich einfach machen möchte, mag mir vorwerfen, ich sei halt keine „typische Frau“ – ich glaube, das ist es aber gar nicht. Zwar habe ich ein inniges, ja nahezu emotionales Verhältnis zu (vorwiegend uralter) Technik, mag alte Fahrzeuge, kann mit Flex, Bohr- und Drehmaschine zumindest für den erweiterten Hausgebrauch recht passabel umgehen und mache mir gern mal die Finger an Öl und Fett beim Schrauben dreckig, aber hey – aus diesen Fingern wachsen dafür recht lange, regelmäßig gefeilte und mit Nagelhärter etc. gepflegte Nägel! Okay, nur rechts und nur zum Gitarrespielen, aber immerhin könnte meine rechte Hand in einer Nahaufnahme problemlos die durchschnittliche Frau repräsentieren!
Wir schweifen ab – und zwar, weil es erbärmlich ist: Ich bin eine Niete in Handarbeiten, wirklich. Ich habe das nie gut gekonnt, habe mich deshalb noch nie tiefgreifender damit beschäftigt und werde es deshalb wohl auch nie können. Einen Knopf annähen – ja, das geht sicher gerade so (auch nicht schön – hält aber), aber sonst ist das Ganze eine echte Katastrophe.
Der Grundstein für die ganze Misere ward wohl bereits zu Grundschulzeiten gelegt: So sägte, feilte und schmirgelte ich (ich weiß es bis heute und hoffe, das Ding hat irgendwer aufbewahrt) ein echt tolles Männchen aus Holz, das an einem Reck turnte – als dem dann ein Anzug geschneidert werden sollte, verließen sie mich. Ein Schlüsselbrett in Form eines Elefanten war ebenfalls schnell gelaubsägearbeitet – das Teil hing dann noch gefühlt ein Jahrzehnt bei uns im Flur (und ich hoffe, das Ding hat irgendwer aufbewahrt) und war für die Arbeit eines Grundschulkindes echt passabel. Weiter ging es damit, dass wir so’nen kleinen Puppenhaus-Teppich (nur der liebe Gott wusste schon damals, was es wirklich darstellen sollte) weben sollten: Ich habe es nicht einmal gehasst, sondern vorurteilsfrei versucht, aber das wirklich hässliche Ergebnis (ich weiß es bis heute und hoffe, das Ding hat keiner aufbewahrt) war in seinem Verlauf sehr unterschiedlich dick, fest und breit – mehr wie ein Alligator, der mehrfach vom LKW überfahren worden war, als wie der Wohnzimmer-Bodenbelag von Barbie und Ken (und ja – auch DIE besaß ich).
Nun mag man sich darüber wundern – man mag auch sagen, man müsse ja nicht alles können, aber ich kann schon nicht tapezieren und war beim Ausprobieren am Saxophon schlechter, als ich es erwartet hätte, und so versuche ich mich etwa alle fünf bis zehn Jahre mal wieder an Handarbeiten, die über „so’n Knopf wirste ja wohl grad noch“, „Ob das auch mit Textilkleber geht?“ und „egal, sieht eh keiner“ hinausgehen. Dies erfolgt allerdings ausschließlich aus irgendeiner Notwendigkeit heraus (so’n Schal krieg ich NIRGENDS) und niemals, weil ich auf der Suche nach einem neuen Hobby bin (unvergessen bleiben wird mir eine frühere Arbeitskollegin, die Lebensmittel gehäkelt hat – ich bin sonst eher für praktische Dinge zu haben, aber das gehäkelte Spiegelei hat mich zumindest zu großen Teilen tatsächlich aus Bewunderung sprachlos gemacht), und so ist es nicht verwunderlich, dass mein Hirn diese frisch erworbenen Fähigkeiten nie länger als einige Wochen (also bis zur Fertigstellung oder Aufgabe des Projektes – einen Flughafen habe ich noch nie zu stricken versucht) behält. Ich leide im Grunde also an Häkel- und Strick-Amnesie, brauche jedes Mal jemanden, der mit mir den Anfang häkelt oder die Maschen aufnimmt, eskaliere dann nach einer kurzen Einweisung in die ganze Nummer mit Werkzeug und Wolle bis auf einzelne „Oh nein, Hilfe!!“s eine Zeit lang weitestgehend autark vor mich hin und brauche dann jemanden, der dieses Projekt mit mir beendet… nein, mich davon erlöst, obwohl ich das wirklich gern können würde. Das Stadium der Erlösung aus solchen Unterfangen ist übrigens sehr unterschiedlich – das reicht von der helfenden Hand beim Abketten (so heißt das glaube ich in der Fachsprache, wenn man am Ende seines Werkes die Maschen plangerecht von den Nadeln klöttert und dabei irgendwie immer anders was durch die Masche prökelt als sonst, weshalb ich das nie ganz kapiert habe?) bis hin zu „Ich hab mal in Deiner Abwesenheit ein paar Reihen weitergestrickt, sonst wirst du ja nie fertig!“ – heute bin ich sicher, dass meine damalige Strickbetreuung ausnahmslos alles, was ich in der Zwischenzeit fertiggebracht hatte, heimlich wieder aufgeröbbelt hatte, bevor sie es neu und „ein paar Reihen weitergestrickt“ hat, um den schalgewordenen (wie Winter-Schal, nicht wie Bier-schal) überfahrener-Alligator-Effekt vom Grundschul-Teppich zu verhindern: Seltsamerweise war mein „selbst“ gestrickter, schwarzer Schal am Ende nämlich wirklich sehr schön, obwohl ich zwischenzeitlich immer wieder einmal alligatoreske Tendenzen wahrnehmen konnte. Nun wären andere Teenies in meinem Alter sicher sauer gewesen, hätte jemand an ihrem Schal „ein paar Reihen weitergestrickt“ – ich war einfach froh und dankbar, als das Ding endlich fertig war.
Die oben angeführten fünf bis zehn Jahre sind übrigens so ziemlich jetzt wieder vergangen, meine Strick- und Häkel-Amnesie ist vollkommen und mich überkommt zusehends eine Unruhe wie einen Fisch, der sich aufmacht, um zum Laichen das Gewässer seiner Geburt aufzusuchen: Schon neulich dachte ich, wie schön so’n schwarzer, häkelstrickgeklöppelter Überwurf wäre, den ich mir über die Schultern schmeißen könnte, wenn trostlose Kälte sich zumindest gefühlt bis ins Büro breitmacht, doch besann ich mich auf mein diesbezügliches Talent (okay – es half, mir auszumalen, was die Kollegen von einem solchen, von mir erschaffenen Monster halten würden) und kaufte nicht einmal Wolle.
Nun aber bin ich mehr oder minder stolze Eigentümerin eines neuen Plietschfons („Smartphone“ op Plattdüütsch – ich möchte bitte, dass sich dieser Ausdruck durchsetzt und versuche hiermit, trotz meiner geringen Reichweite meinen Beitrag dazu zu leisten) und dachte mir, dass die gehäkelten Handyhüllen, die ich früher hatte, doch echt die besten waren. Kurz malte ich mir schon aus, wie ich da noch so’ne Ecke dranhäkeln würde, die man als Schutz oben umschlagen könnte, bis ich nicht ohne ein leises Seufzen das neue Telefon in einen Waschlappen steckte und beschloss, mir wohl doch noch so ein Silikon-Täschchen zu bestellen: Die Zeit ist noch nicht ganz reif für ein neuerliches Wolldesaster, doch die Einschläge kommen näher und näher.